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Aufsichtspflicht in der Praxis

Worum es hier geht

In den Schulungen für GruppenleiterInnen werden einige Fragen besonders häufig gestellt, die die Umsetzung der Aufsichtspflicht betreffen. Es wird meist die Frage gestellt, was genau in Bezug auf das jeweils beschriebene Problem gesetzlich vorgeschrieben sei.

Die Antwort auf die Frage kann nicht pauschal gegeben werden, wie du im Kapitel über die Aufsichtspflicht bereits gelesen hast. Die Beurteilung ist abhängig von den jeweiligen Umständen und Gegebenheiten des jeweiligen Falls. Diese Antwort ist für dich als Kinder- und JugendgruppenleiterIn wenig zufriedenstellend. Das wissen wirJ. Viele LeiterInnen wünschen sich „einfache“ Antworten um Handlungssicherheit zu bekommen.

Daher haben wir die häufigsten Fragestellungen zusammengefasst und Empfehlungen verfasst, wie aus unserer Sicht ein/e Kinder- und JugendgruppenleiterIn handeln sollte, um sich bestmöglich abzusichern.

Ausschreibung

Die Erziehungsberechtigten müssen sich der Tragweite ihrer Entscheidung – Übertragung der Aufsichtspflicht auf dich als Gruppenleitung – bewusst sein. Sie müssen wissen, was mit ihren Kindern geschieht und wer auf welche Weise für sie sorgen wird. Als Gruppenleitung hast du die Pflicht, die Erziehungsberechtigten über eure Aktivitäten (Gruppenstunde, Veranstaltung, Ferienfreizeit etc.) umfassend zu informieren. Auch um späteren Ärger mit den Erziehungsberechtigten zu vermeiden, solltest du alle Aktivitäten gut abstimmen.

Betreuungsschlüssel

Der Betreuungsschlüssel gilt nicht pauschal, sondern ist abhängig vom Alter, Reife und Erziehungsstand der Kinder und Jugendlichen.

Jüngere Kinder brauchen in der Regel mehr Aufsicht und Fürsorge als Jugendliche. Solltest du aber Jugendliche betreuen, die verhaltensauffällig sind, in einer besonderen Entwicklungsphase stecken oder denen es schwer fällt, sich an Regeln zu halten, benötigen diese wiederum mehr Aufsicht und Kontrolle.

Um einschätzen zu können, wie viel Aufsicht nötig ist, ist es wichtig, die Kinder und Jugendlichen und ihre persönlichen Verhältnisse zu kennen. Hilfreich ist ein umfangreicher Anmeldebogen, um Grundinformationen einzuholen, das persönliche Kennenlernen, zum Beispiel bei einem Vortreffen vor einer Freizeit, und der stetige gute Kontakt zu jedem einzelnen Kind und Jugendlichen während der Gruppenstunde, des Projekts oder der Fahrt.

Um dies sicherstellen zu können, empfehlen wir euch als Leiterrunde, dass ihr euch zum Beispiel vor einer Fahrt aufteilt, wer sich um welches Kind kümmert. Eine Person sollte nicht mehr als 8-15 Kinder und Jugendliche betreuen. Bei besonders betreuungsintensiven Kindern und Jugendlichen kann auch ein niedrigerer Betreuungsschlüssel notwendig sein oder eine zusätzliche Aufsichtsperson für ein Kind oder eine/n Jugendliche/n mit besonderem Förder- oder Unterstützungsbedarf.

Klettern

Immer beliebter werden bei Kindern und Jugendlichen Ausflüge in Kletterparks oder In-door-Kletterhallen. Dies sind Aktionen mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial. Dennoch werden diese Aktivitäten inzwischen als „normale“ Übungen im Bereich der Erlebnispädagogik angesehen.

Da viele Kinder, Jugendliche und auch LeiterInnen diese Aktivitäten inzwischen als „normal“ ansehen, werden die damit verbundenen Risiken oft unterschätzt. Unfälle sind in diesem Bereich folgenschwer und haben auch für die Person, die gesichert hat oder sichern sollte möglicherweise traumatische Folgen. Wir möchten euch an dieser Stelle nicht von solchen Aktivitäten abraten, sondern auf das erhöhte Gefährdungspotential hinweisen. Wir möchten eure Wahrnehmung und eure Achtsamkeit schulen, damit ihr euch so gut wie möglich absichert und es für alle eine gelungene Gruppenerfahrung wird.

Medikamentengabe

Grundsätzlich gilt die Regel: Ohne ärztliche Verordnung den Kindern und Jugendlichen keine Medikamente geben. Dies gilt auch für homöopathische Präparate etc. Ihr wisst nicht, ob die Kinder und Jugendlichen auf bestimmte Produkte allergisch reagieren. Ihr seid keine Ärzte und solltet auch „Hausmittel“ nicht unüberlegt einsetzen.

Sollte ein Kind oder ein/e Jugendliche/r Beschwerden haben und sich nicht wohl fühlen, geht mit ihm/ihr zum Arzt und lasst die Beschwerden abklären. Auch wenn ihr Hypothesen habt, was hinter der Beschwerde steckt (z.B. Heimweh), solltet ihr lieber einmal zu viel zum Arzt fahren als einmal zu wenig. Auch die psychologische Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Beim Kind oder Jugendlichen sollte ankommen: Ich werde mit meinen Beschwerden ernst genommen.

Kinder oder Jugendliche, bei denen vor Abfahrt zur Ferienfreizeit eine bestimmte Erkrankung bekannt ist, und die Medikamente nehmen müssen, können trotzdem zur Freizeit mitfahren, wenn du als Kinder- und JugendgruppenleiterIn bereit bist, den „elterlichen Job“ zu übernehmen. Du solltest dir dazu eine schriftliche Erklärung vom Arzt mitgeben lassen, was das Kind oder der/die Jugendliche einnehmen muss und wann. Zudem solltest du dir von den Erziehungsberechtigten schriftlich das Einverständnis holen, dass du dem Teilnehmenden die Medikamente verabreichen darfst. Ein entsprechendes Formular findest du hier!

Zudem solltest du während der Ferienfreizeit die Medikamentengabe dokumentieren. Ein entsprechendes Formular findest du hier!

Sollte ein Kind oder ein/e Jugendliche/r während einer Freizeit erkranken, solltest du die Erziehungsberechtigten anrufen. Gemeinsam solltet ihr klären, ob das Kind oder der/die Jugendliche abgeholt wird oder bleiben kann.

Schwimmen und Baden

Grundsätzliches

Mit Kindern und Jugendlichen schwimmen zu gehen gehört sowohl zu den beliebtesten als auch gefährlichsten Aktionen während einer Ferienfreizeit. Schwimmen und Baden in freien Gewässern und öffentlichen Badeanstalten bergen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial und werden zugleich von vielen Kinder- und JugendgruppenleiterInnen unterschätzt.

In diesem Unterkapitel möchten wir die Gefahrenquellen kurz erörtern und Empfehlungen aussprechen, was du tun und beachten musst. So kannst du am Ende selbst beurteilen, ob du mit den Kindern und Jugendlichen schwimmen gehst oder ob dir die Gefahren zu groß sind.

Grundsätzlich solltest du dir das Einverständnis der Erziehungsberechtigten holen, wenn du mit den Kindern und Jugendlichen schwimmen gehen möchtest. Dies kannst du im Anmeldebogen abfragen. Die Erziehungsberechtigten sollten auch die Möglichkeit haben, ihr Einverständnis nicht zu erteilen, d.h. es sollte ein Kästchen mit Ja und eines mit Nein geben (Anmeldeformular Freizeit). Zudem kannst du abfragen, welches Schwimmabzeichen das Kind oder der/die Jugendliche hat.

Aber Achtung: Dies entbindet dich nicht von der Pflicht, persönlich zu überprüfen, ob das Kind oder der/die Jugendliche tatsächlich schwimmen kann. Davon musst du dich selbst überzeugen, indem du zum Beispiel die Kinder und Jugendlichen nacheinander eine Bahn schwimmen lässt, bevor sie ins Schwimmerbecken dürfen. Manchen Eltern, Kindern oder Jugendlichen ist es unangenehm anzugeben, dass sie nicht schwimmen können und kreuzen an, dass sie schwimmen können. Um dich selbst abzusichern, empfehlen wir dir, zu überprüfen, ob die gemachten Angaben auch stimmen.

Weiterhin musst du im Voraus dafür Sorge tragen, dass eine sofortige Hilfeleistung gewährt werden kann, sowohl für die Rettung als auch für die Behandlung am Ufer oder Schwimmbeckenrand. Wir empfehlen dir daher, eine angemessene Anzahl an RettungsschwimmerInnen und LeiterInnen mit einem Erste-Hilfe-Kurs mitzunehmen.

Die Anwesenheit von BademeisterInnenoder DLRG RettungsschwimmerInnen befreit dich nicht von dieser Anforderung. Die Betreuung einer öffentlichen Badeanstalt oder eines bewachten freien Gewässers durch Fachpersonal bietet dir lediglich eine zusätzliche Absicherung.

In öffentlichen Badeanstalten

In öffentlichen Badeanstalten wie Hallen- und Freibädern gibt es in der Regel eine Badeaufsicht. Bei Ankunft im Schwimmbad solltest du deine Gruppe bei der Badeaufsicht anmelden. Zudem kannst du schon vor Besuch der Badeanstalt per Telefon den Besuch der Gruppe ankündigen. Hierbei erfährst du auch, ob ein Besuch an dem geplanten Tag mit der Gruppengröße möglich ist.

Aber Achtung:

Durch die Anmeldung deiner Gruppe beim Fachpersonal gibst du die Aufsichtspflicht nicht ab. Du hast weiterhin die Aufsichtspflicht!

Das bedeutet, du kannst dich nicht unbekümmert in der Badeanstalt aufhalten, einen Kaffee trinken oder einen kleinen Nachmittagsschlaf genießen. Du musst deine Kinder und Jugendlichen im Blick haben und weiterhin alle Punkte der Aufsichtspflicht erfüllen.

In freien Gewässern

Bei Bade- und/oder Schwimmgängen in freien Gewässern musst du dich vorher bei der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) erkundigen, ob dies an der vorgesehenen Stelle erlaubt ist.

Zudem musst du vor Beginn das Wasser prüfen (Temperatur und Untiefen) und auf Gefahren hinweisen. Solltest du Gefahrenquellen nicht beseitigen können, wie eine gefährliche Strömung oder Untiefe, darfst du mit den Kinder und Jugendlichen dort nicht schwimmen gehen.

Auch hier gilt: Die Anwesenheit von DLRG RettungsschwimmerInnen befreit dich nicht von der Aufsichtspflicht. Du musst weiterhin die Aufsicht wahrnehmen und jederzeit in der Lage sein, den Kindern und Jugendlichen zu helfen bzw. sie zu retten.

Straßenverkehr

An dieser Stelle kann nicht die gesamte Straßenverkehrsordnung zusammengefasst wiedergegeben werden. Es sollen lediglich einige Aspekte der Straßenverkehrsordnung benannt werden, die du besonders zu beachten hast, wenn du mit Gruppen unterwegs bist.

Radfahren

Für das Radfahren in Gruppen herrschen erst einmal die üblichen Verkehrsregeln. Vorhandene Radwege musst du mit deiner Gruppe nutzen. Ihr dürft nicht zu zweit nebeneinander fahren.

Seid ihr mehr als 15 RadfahrerInnen, dürft ihr einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürft ihr zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Es muss klar sein, wer den Verband führt. Der Verband gilt als ein Fahrzeug. Diese Regelung ist eingeführt worden, da es sonst zu schwierig ist, die RadfahrerInnenzu überholen.

Es ist nicht gesetzlich vorgeschrieben einen Fahrradhelm zu tragen. Wir empfehlen dir aber, dass alle Kinder, Jugendlichen und LeiterInnen einen Fahrradhelm nutzen. Sei ein gutes Vorbild.

Bei Unfällen ohne Helm gibt es häufig langwierige Auseinandersetzungen mit den Versicherungen. Kopfverletzungen sind oft folgenschwer. Daher empfehlen wir dir, die Helmpflicht als Regel einzuführen.

Wandern

Wenn ihr als Kinder- und Jugendgruppe zu Fuß geht, müsst ihr, soweit möglich, die Gehwege benutzen.

Wenn es dämmert, dunkel ist oder die Sichtverhältnisse schlecht sind, müsst ihr als geschlossen wandernder Verband beleuchtet sein. Dies gilt auch für Radfahrergruppen mit mehr als 15 Personen.

Ihr müsst euch zumindest nach vorne durch nicht blendende Leuchten mit weißem Licht, nach hinten durch Leuchten mit rotem Licht oder gelbem Blinklicht kenntlich machen. Teilt ihr euch als Verband in mehrere Gruppen auf, so müsst ihr jede Gruppe so kenntlich machen.

§ 27 Verbände StVO

Alle Vorschriften zu Verbänden im Straßenverkehr sind im § 27 der Straßenverkehrsordnung nachzulesen. Darin steht auch, dass die Führung des Verbandes Sorge zu tragen hat, dass die Regelungen eingehalten werden, das heißt, du als Gruppenleitung bist dafür verantwortlich, dass diese Regelungen umgesetzt werden!

Trampen

Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften zum Trampen. Es ist also grundsätzlich nicht verboten. Solltest du dich als Leitung einer Gruppe für diese Fortbewegungsmöglichkeit entscheiden, habe bitte folgende Punkte im Blick:

  • Du bist als TramperIn nicht so gut versichert (nur wenn eine Insassenversicherung besteht).
  • Es dürfen nur so viele Personen befördert werden, wie Sitzgelegenheiten mit Sicherheitsgurten vorhanden sind (das Mitfahren auf Lastflächen von LKW ist verboten).
  • Du darfst den Straßenverkehr durch das Trampen in keinerlei Weise behindern, ebenso darfst du weder deine eigene Sicherheit noch die deiner Gruppe gefährden (kein Betreten der Fahrbahn, um Autos anzuhalten; kein Betreten der Autobahn; Zusteigen auf Raststätten oder Tankstellen).

In der Regel kennst du den/die FahrerIn beim Trampen nicht. Du vertraust ihr/ihm aber die Sicherheit deiner TeilnehmerInnen an. Unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflicht raten wir dir vom Trampen ab!

Erkrankungen und Verletzungen

Für den Zeitraum der Freizeit/Veranstaltung bist du verpflichtet, die Teilnehmenden vor körperlichen und gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Dazu gehört erforderlichenfalls auch das Aufsuchen einer Ärztin.


Medizinischer Notfall oder nicht?
Bevor du mit dem*r betroffenen Teilnehmenden eine*n Ärzt*in aufsuchen kannst, musst du abwägen, ob es sich um einen medizinischen Notfall handelt oder eine ärztliche Untersuchung und Behandlung lediglich ratsam ist. Denn obwohl dir die Aufsichts- und Fürsorgepflicht übertragen wurde, bleiben die Personensorgeberechtigten der*s betroffenen Teilnehmenden grundsätzlich Entscheider für oder gegen eine ärztliche Untersuchung und Behandlung. Leider ist es meist aber nicht einfach abzuschätzen, ob es sich um einen medizinischen Notfall handelt oder nicht. Schließlich bist du als Leiter*in eben kein*e Expert*in für medizinische Einschätzungen und Fachfragen. Aber auch scheinbar unauffällige Gesundheitsbeschwerden können gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. Da du als Aufsichtspflichtige*r dafür Sorge zu tragen hast, Schäden abzuwenden, musst du auch bei unklarem Sachverhalt direkt handeln und gegebenenfalls eine*n Ärzt*in hinzuziehen.


Personensorgeberechtigten informieren!
Sollte während der Freizeit/Veranstaltung bei einer*m Teilnehmenden eine ärztliche Behandlung oder ein ambulanter/stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich erscheinen, musst du unverzüglich versuchen, mit den Personensorgeberechtigten der*s betroffenen Teilnehmenden Kontakt aufzunehmen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Erst wenn du die Personensorgeberechtigten auch nach mehrfachen Versuchen nicht kontaktieren kannst bist du berechtigt, mit der*m Teilnehmenden dennoch eine*n Ärzt*in aufzusuchen.


Einzige Ausnahme sind medizinische Notfälle. Diese sind gegeben, wenn du aufgrund der Umstände des Einzelfalles unverzügliche medizinische Untersuchungen und Behandlungen für dringend notwendig erachtest. In der Regel geht es der*m Teilnehmenden so schlecht, dass ein Rettungsdienst angerufen werden muss. In solchen Fällen muss die ärztliche Untersuchung und Behandlung dem Kontaktversuch mit den Personensorgeberechtigten vorgehen.


Empfehlung: In jedem Fall Handeln!
In jedem Fall musst du handeln. Wenn du bei gesundheitlicher Gefahr oder Not es unterlässt zu handeln, obwohl dies erforderlich und dir den Umständen nach zuzumuten ist, kannst du dich strafbar machen. Deshalb gilt: Wenn ein medizinisch bedenklicher Fall entsteht, die Zeit es zulässt, also kein akuter Notfall vorliegt, musst du die Personensorgeberechtigten kontaktieren und mit ihnen das weitere Vorgehen abstimmen. Sollten die Personensorgeberechtigten nicht erreichbar sein und kann ein gesundheitlicher Schaden nicht ausgeschlossen werden, darfst und musst du mit der*m betroffenen Teilnehmenden eine*n Ärzt*in aufsuchen. In medizinischen Notfällen bist du dagegen verpflichtet, sofort eine*n Ärzt*in einzuschalten und erst im Nachhinein, bzw. sobald es die Umstände zulassen, die Personensorgeberechtigten kontaktieren.

Einverständnis der Personensorgeberechtigten einholen
Um diese Zwickmühle von Vornherein zu umgehen, empfehlen wir dir, das Einverständnis der Personensorgeberechtigten für den Arztbesuch im Vorhinein einzuholen. Eine entsprechende Vorlage findest du im Anmeldeformular für Freizeiten.

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