Jugend

Einleitung

Genausowenig wie für Kindheit gibt es für den Begriff „Jugend“ eine allgemeingültige Definition bzw. Eingrenzung nach Lebensjahren. Nach deutschem Recht sind Jugendliche Personen, die über 14 und unter 18 Jahre alt sind. Entwicklungspsychologisch gilt das Eintreten der Geschlechtsreife, also die Pubertät, als Zeichen für den Beginn des Jugendalters und damit als Kriterium zur Abgrenzung von Kindheit. Auch das Ende der Jugend wird häufig weiter gefasst und dauert je nach Lebenssituation auch über das 18. Lebensjahr hinaus. Zur Differenzierung unterteilt man diesen Lebensabschnitt in drei Phasen: frühe Jugendzeit (10-13 Jahre; wird hier unter Kindheit gefasst, zum Kapitel Kindheit), mittlere Jugendzeit (14-17 Jahre), späte Jugendzeit (18-22 Jahre) (vgl. Oerter, Dreher 2008, S. 272).

Wir wollen im Folgenden den Fokus auf Jugendliche zwischen 13/14 und ca. 18 Jahren legen, da sie normalerweise Zielgruppe der Gruppenstunden sind. Da in einigen Gruppen bereits 16-jährige Jugendliche LeiterInnen werden, gehen wir am Ende auf dieses Thema ein (zum Thema "Leiten schon mit 16?").

Auch wenn „die Gruppe der Jugendlichen“ sehr heterogen ist, gibt es doch bestimmte Themen, die für alle Jugendlichen in irgendeiner Form relevant sind und um die es im Folgenden gehen soll.

Persönlichkeitsentwicklung und Identitätssuche

Jugend ist eine Phase intensiver Identitätssuche, „in der Fragen nach den eigenen ethisch-moralischen, religiösen und politischen Überzeugungen sowie der anzustrebenden beruflichen und familiären Lebensführung aufgeworfen werden“ (vgl. Schäfers/ Scherr 2005). Jugendliche emanzipieren sich zunehmend von ihren Eltern: Lebensentwürfe der Eltern werden hinterfragt und eigene Positionen und Lebensziele gesucht. So wird einerseits die Selbstständigkeit betont, andererseits sind Jugendliche oft noch sehr „dünnhäutig“, unsicher und reagieren empfindsam auf Kritik.

Körperliche und sexuelle Entwicklungen und Veränderungen, insbesondere die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale, machen vielen Jugendlichen zu schaffen: Häufig sind Jugendliche (Mädchen mehr als Jungen) mit ihrem Körperbild nicht zufrieden, gerade wenn sie Spät- oder Frühentwickler sind oder das Bild nicht den kulturellen Idealen entspricht. Durch die Veränderungen verliert ihr bisheriges Selbstbild seine Gültigkeit und sie müssen die Veränderungen in ein neues, anderes Bild von sich selbst integrieren. Dies ist teilweise mit Unzufriedenheit, Scham und Verunsicherung verbunden.

Neben der körperlichen Veränderung spielt auch das soziale Geschlecht eine zunehmende Rolle. Die Aneignung und Auseinandersetzung mit typisch männlichen bzw. weiblichen Verhaltensweisen und Fragen nach der eigenen sexuellen Orientierung nehmen einen wichtigen Stellenwert ein; „Wer und wie bin ich eigentlich?“, „Wie reagieren andere, insbesondere das andere Geschlecht, auf mich?“ und „Zu wem fühle ich mich hingezogen?“. Die meisten Jugendlichen machen in der mittleren Jugendzeit erste sexuelle Erfahrungen, manche auch schon früher, andere (deutlich) später. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Entwicklungen und Erfahrungen im gleichen Alter müssen Jugendliche ebenfalls aushalten und verarbeiten.

Im Jugendalter entdecken Jugendliche ihre eigene seelische Innenwelt und beschäftigen sich intensiv mit der eigenen Person. Dabei erleben sie, dass oft eine (große) Kluft herrscht, zwischen dem, wie sie sich selbst erleben und der Vorstellung, wie sie sein möchten. In dieser Ideal-Vorstellung eifern nicht wenige unerreichbaren Idolen nach, was durch Formate wie „Germany’s next Topmodel“ und Co. noch zusätzlich untermauert wird und die Kluft vergrößert. Dazu kommt die Auseinandersetzung mit den verschiedenen, oft widersprüchlichen Erwartungen, die von ihrem Umfeld (Eltern, Schule, Freunde usw.) an sie herangetragen werden. Diese Widersprüche und Disharmonien müssen Jugendliche mit sich selbst vereinbaren und ausbalancieren. So haben sie oft mit sich selbst zu kämpfen, fühlen sich unwohl, unverstanden und einsam.

Äußerlich hingegen inszenieren sie ihren Lebensstil, indem sie zwischen einer Vielzahl ästhetischer Ausdrucksformen auswählen oder auch hin und her wechseln. Sie legen oft großen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild, auf Kleidung und Styling, aber auch auf Musik oder andere Trends, mit denen sie ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Subkultur ausdrücken und sich gleichzeitig gegenüber anderen abgrenzen – insbesondere auch gegenüber Kindern und Erwachsenen. So finden sie Zusammenhalt in der eigenen „Peer Group“.

Wechselnde Identifikationen, sich auszuprobieren und Grenzerfahrungen zu machen sind typische Formate zur Identitätsfindung und Erweiterung des Selbstbildes in der Jugend. Und obwohl diese Suche nach ihrem Lebensentwurf und ihrer Identität viele Jugendliche eint, zeigt sich die Heterogenität der Gruppe in den verschiedenen Wertvorstellungen, Freizeitaktivitäten und Lebenszielen.

Die Gruppe der Gleichaltrigen

Mit der Ablösung von den Eltern gewinnen selbstgewählte Freundschaften und die Anerkennung durch Gleichaltrige an Bedeutung. Hier können Jugendliche neue Formen der Gemeinschaft erleben, finden Gleichgesinnte, erfahren emotionalen Rückhalt und fühlen sich verstanden. Die sogenannte „Peer Group“ bietet Raum, neue Lebensstile auszuprobieren und hilft, das Gefühl von Einsamkeit zu überwinden und Bestätigung zu erfahren. Dabei streben Jugendliche nach Sicherheit durch feste Bindungen und schätzen ein stabiles soziales Netzwerk aus Freunden (und Familie) als wichtiges Element in ihrem Leben.

Genau dies kann auch die Pfarr- oder Messdienergruppe für Jugendliche sein: ein verlässlicher, beständiger Freundeskreis, mit dem man schon so manches erlebt hat, Gemeinsamkeiten und Werte teilt, mit dem man sich aber vielleicht auch schon gerieben und so manchen Konflikt ausgetragen und wieder zueinandergefunden hat.

Schule, Beruf und Studium

Jugendliche verbringen viel Zeit mit schulischer und beruflicher Bildung. Schul- und Berufsabschlüsse sind für sie von großer Bedeutung, da sie glauben, nur mit einem entsprechenden Schulabschluss ihre oft ehrgeizigen beruflichen Wünsche verwirklichen zu können.

Dabei zeigt sich nach wie vor – trotz theoretisch gleicher Bildungschancen in Deutschland – dass der Bildungshintergrund der Eltern für den schulischen Erfolg wichtiger ist, als das tatsächliche Leistungsvermögen der SchülerInnen (vgl. Shell-Studie 2010, S. 72). Gleichzeitig ist die Idee, „dass sich schon etwas findet, sollte einmal ein Plan nicht funktionieren“ Jugendlichen eher fremd. Verständlich, denn ihnen wird eine Auseinandersetzung mit der beruflichen Zukunft oft schon frühzeitig nahegelegt, um die Schullaufbahn entsprechend planen zu können und die erforderlichen Qualifikationen zu erreichen. Denn für Ausbildungsplätze, für die früher die mittlere Reife völlig ausreichte, benötigt man heute teilweise Abitur, so dass Realschüler den Wechsel auf ein Gymnasium anstreben oder Abituranwärter schon wissen, dass die Zulassung zu einem gewünschten Studium nicht selten „sehr gute“ Noten voraussetzt. Hauptschüler fühlen sich dadurch teilweise von vornherein abgehängt (vgl. Shell-Studie 2010, S. 72ff).

Diese Belastungen und Befürchtungen tragen die Jugendlichen natürlich auch mit in die Gruppenstunden, auch wenn sie hier nicht im Vordergrund stehen (sollten). Aber vielleicht kennst du das auch, dass Jugendliche nicht regelmäßig teilnehmen können, da sie noch lernen oder Hausaufgaben machen müssen, dass sie vor oder nach Klausuren sehr gestresst, lustlos und erschöpft sind oder dass sie nicht mehr mit in die Ferienfreizeit fahren können, weil sie Lerndefizite nachholen müssen. So hat Schule einen nicht unerheblichen Einfluss auf Jugendarbeit und Gruppenstunden.

Nach Abschluss der Schule steht bei allen Jugendlichen früher oder später die Wahl eines Ausbildungsplatzes oder Studiums an und ist wohl die bedeutendste Entscheidung, die sie bisher treffen mussten. Dabei können sie heute bei entsprechenden Noten aus einer Fülle an Möglichkeiten wählen. Die Qual der Wahl macht die Herausforderung, den für sie geeigneten Weg zu finden, nicht leichter. Sie müssen mit begrenzten Informationen eine Entscheidung treffen, die oft langfristige Konsequenzen hat. Vielen Jugendlichen gelingt das gut, sie wissen ihre Chancen zu nutzen; bei anderen verursacht es aber auch ein Gefühl von Ohnmacht und Überforderung.

Allerdings haben längst nicht alle Jugendlichen die Wahl: Viele (meist) Hauptschüler erleben, dass sie den gewünschten Weg gar nicht einschlagen können, dass sie wenig Perspektiven haben und „nehmen (sollten), was sie kriegen“. Sie sind froh, wenn sie überhaupt eine Stelle finden, die ihnen (und später vielleicht auch einer Familie) eine eigenständige Existenz ermöglicht. Denn der Wunsch, irgendwann eine Familie zu gründen, der man etwas bieten kann, die finanziell einigermaßen abgesichert ist, ist bei Jugendlichen ganz unabhängig von ihrem Leistungsvermögen und Bildungsabschluss weit verbreitet.

So oder so stellen sich im Jugendalter wichtige Weichen für die berufliche wie private Zukunft – das wissen die Jugendlichen und nehmen es entsprechend ernst.

Freizeitgestaltung und Mediennutzung

Auch jenseits der Schule eröffnet sich Jugendlichen eine Vielzahl an Optionen und sie müssen auswählen, wie sie ihre Freizeit gestalten wollen. Und so probieren sie auch gerne zwischen verschiedenen Alternativen aus und sammeln Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen. Charakteristisch für das Jugendalter ist dabei die größere Unabhängigkeit von den Eltern und Mobilität von zu Hause. Dadurch wächst die Angebotsspannbreite: Auf einmal werden auch Angebote greifbar, von denen vielleicht die Schulfreundin erzählt, die aber am anderen Ende der Stadt wohnt oder die Eltern stimmen nun doch zu, ein bestimmtes Hobby auszuprobieren, weil der Sohn/die Tochter nun schon seit Jahren immer wieder danach fragt.

Dabei können Jugendliche selbstverständlich verschiedenen Hobbies parallel nachgehen (mehr als noch im Kinderalter), teilweise müssen sie aber auch eine Sache aufgeben, weil sie etwas Neues mehr reizt und fasziniert. Warum also sollten sie (weiterhin) zu eurer Gruppenstunde kommen? Für die Jugendarbeit ist es in dieser Zeit ganz besonders wichtig, die Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen zu kennen und auf sie einzugehen, um sie auch in dieser Phase des Umbruchs und der vielen neuen Möglichkeiten für die Gruppenstunden zu motivieren und zu begeistern.

Praxis-Check

Gerade jetzt ist es wichtig, ihnen einerseits zu vermitteln, dass sie bei euch Rückhalt und Verlässlichkeit finden, andererseits aber auch Neues erleben können und zusammen mit der Gruppe ihre Ideen verwirklichen und verschiedene Alternativen ausprobieren können. Jugendliche haben gerade in der frühen Jugend Probleme mit „Kinderspielen“, da sie um Abgrenzung zum Kind-sein bemüht sind. Gleichzeitig sind sie es oft noch nicht gewohnt, selbstständig Ideen zu entwickeln und Projekte zu planen. In der Pubertät stecken sie außerdem in einer Phase der Lust- und Antriebslosigkeit und können gar nicht richtig äußern, was sie eigentlich machen möchten. Das ist eine große Herausforderung für LeiterInnen, insbesondere wenn sie selber noch gar nicht viel älter sind (Leiten schon mit 16?). Sie haben die Aufgabe, Atmosphäre zu schaffen und zu motivieren sowie gleichzeitig projektorientiertes, selbstständiges Handeln anzuleiten – und dabei Jugendlichen möglichst noch Räume und Aktivitäten zu eröffnen, die angesagt sind. So könnt ihr z.B. Übernachtungen mit Tanzmöglichkeiten, alkoholfreien Cocktails oder Partyspielen anbieten oder auch spannende Ausflüge zusammen organisieren, die man als Einzelperson eher nicht machen kann wie Kanufahren, Klettern usw.

Eine weitere Herausforderung, vor der sowohl LeiterInnen als auch die Gruppe insgesamt stehen, ist die große Heterogenität und Interessensvielfalt der Jugend: Der eine spielt gerne am PC, der nächste setzt sich intensiv mit einer Subkultur auseinander, ein Dritter engagiert sich noch parallel im Sportverein oder im Umweltschutz usw. (vgl. auch SINUS-Studie 2012).

Dennoch lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten und Trends ausmachen. In der sogenannten JIM-Studie (www.mpfs.de) werden Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren regelmäßig nach ihren non-medialen Freizeitaktivitäten befragt. Hier zeigt sich ein deutliches Bild: ca. 80% treffen sich mehrmals pro Woche mit Freunden, ca. 70% treiben regelmäßig Sport. Weitere verbreitete Tätigkeiten sind außerdem Familienunternehmungen, selbst Musik machen oder sich kreativ betätigen. Etwa die Hälfte der Jugendlichen engagiert sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich, als TrainerIn in einem Sportverein, in der Schule oder eben als LeiterIn bei den Messdienern oder einer anderen (kirchlichen) Jugendgruppe (vgl. JIM-Studie 2015, S. 9/10)

Auch Medien sind im Alltag Jugendlicher fester Bestandteil, wie die JIM-Studie ebenfalls verdeutlicht. Schaut man auf die Nutzungshäufigkeit, überrascht es wenig, dass 92% der 12-19-Jährigen regelmäßig ins Internet gehen und mit 94% ebenso viele Jugendliche regelmäßig das Handy benutzen (89% sogar täglich). Nahezu alle Jugendlichen besitzen ein Mobiltelefon, 92% davon ein Smartphone. Interessant ist, dass die Relevanz von Online-Communities wieder abzunehmen scheint. Nur noch 57% der Jugendlichen gaben an, mehrmals pro Woche Facebook und Co. zu nutzen, ein deutlicher Rückgang zu den Vorjahren. Neben diesen Multi-Funktionsmedien sind nach wie vor fernsehen und Musik hören fest in den Alltag Jugendlicher integriert (vgl. JIM-Studie 2015, S. 46ff).

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Wer sich tiefer gehend mit dem Thema Jugend und Medien beschäftigen möchte, dem seien die JIM-Studien empfohlen, die man kostenlos downloaden kann: www.mpfs.de/index.php?id=276, www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf15/JIM_2015.pdf

Glaube und Werteempfinden

Wie alle Altersgruppen beschäftigen sich auch Jugendliche mit Glaubens- und Sinnfragen. Dabei hinterfragen sie ihren Glauben und die Bindung an die Kirche und entwickeln eine kritische Weltsicht, auch bezüglich der Institution Kirche.

Auch wenn die Bedeutung von Religiosität für Jugendliche laut Shell-Studie weiter abnimmt, bedeutet das nicht, dass Jugendliche nicht über das Thema nachdenken. Katholisch getaufte Jugendliche geben zu 28% an, dass sie in ihrer Religion unsicher seien, aber auch zu 44%, dass ihnen ihr Glaube wichtig für die persönliche Lebensführung sei, auch wenn diese Zahl seit 2002 kontinuierlich sinkt. Kontinuierlich zugenommen hat hingegen die Wichtigkeit von Religion für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die weder katholisch noch evangelisch sind. Hier geben 76% an, dass ihnen der Glaube an Gott wichtig sei (vgl. Shell-Studie 20110, S. 204ff).

Ob klassisch-religiös oder nicht, Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Gerechtigkeit usw. beschäftigen viele Jugendliche. Sie eignen sich ein ethisches Wertesystem an und „überprüfen“ die Relevanz christlicher Werte und Lehre als Bereicherung für ihr eigenes Leben: Was hat Glaube, die katholische Religion, mit mir zu tun? Was kann Kirche mir bieten? Genau hier spielt Jugendarbeit eine wesentliche Rolle: wenn du als LeiterIn an die Lebenswirklichkeit, an die Fragen, Zweifel und Sorgen der Jugendlichen andockst und für Glaubensfragen und -zweifel offen bist, hilft Jugendlichen das, ihren eigenen Standpunkt und ein eigenes Wertesystem zu entwickeln. Das passiert vielleicht manchmal ganz automatisch in einer Unterhaltung, die sich zu einer lebhaften Diskussion ausweitet, oft braucht es dafür aber auch bewussten Raum. Einen ansprechenden, ästhetischen Raum im physischen Sinne, in dem sich Jugendliche ungezwungen bewegen können und eine offene, wertschätzende Atmosphäre erleben, findet ihr z.B. in den Jugendkirchen des Bistums. Vielleicht habt ihr Interesse, dort mal einen Jugend-Gottesdienst oder ein spezielles Angebot gemeinsam mit eurer Gruppe zu besuchen. Oder ihr plant selbst Angebote, z.B. an ungewöhnlichen Orten, mit Liedern, Texten, Gebeten, die Jugendliche ansprechen. Oft eignen sich aktuelle Lieder aus den Charts oder auch Nachrichten/Geschehnisse aus der Welt als Aufhänger, um Lebens- und Glaubensfragen zu thematisieren. Jugendliche erfahren dadurch, dass nicht nur klassische (Sonntags-)Gottesdienste ein Element gelebten Glaubens sind, sondern sich gerade auch im Alltag immer wieder Momente eröffnen, in denen ihr Glaube als Quelle ihrer Werte und Einstellungen spürbar wird.

Formal fällt das Sakrament der Firmung ins Jugendalter, das üblicherweise zwischen 14 und 16 Jahren empfangen wird. Es ist die Vollendung der Taufe und damit eine selbst gewählte und bewusste Bestätigung der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche (während die Taufe häufig als Säugling/Kleinkind empfangen wird). Daher setzt sie auch eine bewusste Vorbereitung, eine Vermittlung und Vertiefung des Glaubens voraus, die natürlich auch in der Gruppenstunde ihren Platz finden kann und sollte.

Politik und Gesellschaft

Wir leben heute in einer globalisierten Gesellschaft, in der wir nahezu in Echtzeit Zugang zu unendlich vielen Informationen haben. Für Jugendliche ist das ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens und ihrer Sozialisation, und damit sie sind vielen Erwachsenen einen Schritt voraus. Die Fülle an Informationen und der Umgang mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Lebens sind aber auch für Jugendliche nicht immer leicht zu bewältigen. Sie haben zwar einerseits mehr Freiheiten als jemals zuvor– müssen aber auch mehr Entscheidungen treffen, sich orientieren und in der Welt zurechtfinden.

Kein Wunder also, dass dies zu einer großen Heterogenität der Jugendlichen führt, die die SINUS-Studie „Wie ticken Jugendliche“ von 2012 versucht, in sieben verschiedenen Lebensweltmodellen von Jugendlichen abzubilden ►mehr. Diese verdeutlichen, dass es einerseits politisch interessierte und aktive Jugendliche gibt, die sich regelmäßig über Nachrichtenkanäle über das weltweite Geschehen informieren, Interesse an bestimmten Themen entwickeln, am Gemeinwohl orientiert und altruistisch motiviert sind und sich z.B. im Umweltschutz oder gegen Rassismus engagieren. Auf der anderen Seite wird öffentlich immer wieder eine Politikverdrossenheit der Jugend konstatiert, also Müdigkeit gegenüber und mangelndes Interesse an politischen Prozessen und Entscheidungen. Das trifft freilich auf Teile der Jugend zu, die das Gefühl haben, von der Gesellschaft nicht wahrgenommen zu werden oder auf solche, die vor allem an einem „gechilltem Leben“, an Spaß, Konsum und Lifestyle orientiert sind (vgl. SINUS-Studie 2012).

In den Gruppenstunden könnt ihr ein Bewusstsein für Globalisierung, für die Zusammenhänge in der Welt und für gesellschaftliche Belange befördern, indem ihr Anlässe zur Diskussion gebt und die Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Themen fördert. So könnt ihr z.B. Gäste/Experten zu einem bestimmten Thema einladen, den Landtag besuchen oder an U18-Wahlen (www.u18.org) teilnehmen, die regelmäßig vor großen Europa-, Bundes- oder Landtagswahlen durchgeführt werden. Solche Beteiligungsmöglichkeiten wecken das Interesse an Politik und befördern ein demokratisches Grundverständnis und -bewusstsein. Jugendliche sollen zu aktiven BürgerInnen in unserer Gesellschaft werden, die sich nicht überfordert oder übergangen fühlen, sondern erleben, dass sie sich beteiligen und wirksam für Veränderungen einsetzten können. Hierfür kann die Gruppenstunde ein guter Nährboden sein, wenn auch hier demokratische Entscheidungsprozesse stattfinden und Jugendliche durch gemeinsames Diskutieren und Handeln Projekte verwirklichen können.

Eine Kurzzusammenfassung der SINUS Studie gibt es online unter: http://www.sinus-akademie.de/fileadmin/user_files/downloads/Jugend/%C3%96ffentlicher_Foliensatz_Sinus-Jugendstudie_u18_mit_Forschung__neue_Fotos_.pdf)

Leiten schon mit 16

Es kommt immer wieder vor, dass Jugendliche nicht erst mit 18 Jahren, also wenn sie volljährig sind, sondern schon (deutlich) früher mit 16 oder 17 Jahren als JugendleiterIn tätig sind. Laut der JIM-Studie von 2014 übt die Hälfte der 12-19-Jährigen regelmäßig ein Ehrenamt aus, als TrainerIn im Sportverein (24%), in der Schule (17%) oder in der Kirche als MessdienerIn oder GruppenleiterIn (13%) (vgl. JIM-Studie 2014, S. 10). Grundsätzlich ist das sehr erfreulich. Unsere Gesellschaft braucht soziales, politisches und kirchliches Engagement – gerade auch von Jugendlichen.

Allerdings möchten wir euch als Leiterrunde bzw. „alte Hasen“ in diesem Abschnitt verdeutlichen, dass ihr eine verantwortungsvolle Entscheidung darüber treffen solltet, wann jemand in die Leiterrunde aufgenommen wird. Dies gilt für 16-jährige Jugendliche aus der eigenen Pfarrgruppe genauso wie für ältere Jugendliche oder neue Leute, die bei euch mitmachen möchten.

Das konkrete Alter ist dafür nur ein Richtwert: Nur weil jemand 18 und damit volljährig ist, ist er/sie nicht – von einem Tag auf den anderen – ein/e verantwortungsbewusstere/r, bessere/r GruppenleiterIn. Einige haben schon mit 16 Jahren die Reife dazu, andere auch mit 20 noch nicht; Persönlichkeitsentwicklung hält sich nicht an bestimmte Alterskategorien. Daher sollte der Leitgedanke bei der Entscheidung, ob jemand LeiterIn werden soll, sein:

Bringt die Person die Reife und innere Haltung mit, für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsperson sein zu wollen und auf reflektierte Weise Gruppenstunden/Ferienfreizeiten durchzuführen?

Gerade neue, junge GruppenleiterInnen sollten an diese Aufgabe langsam herangeführt und von erfahrenen LeiterInnen gut angeleitet und begleitet werden. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, dann können Jugendliche (noch) nicht als LeiterInnen eingesetzt werden und ihr müsst nach Alternativen suchen. Wir wissen, dass einige Leiterrunden in schwierigen Situationen stecken und dringend neue GruppenleiterInnen brauchen, damit die Gruppenstunden oder Ferienfreizeiten überhaupt stattfinden können. Daher möchten wir euch ermutigen, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, wie z.B. eine Werbeaktion, um neue Leute für die Jugendarbeit zu gewinnen, Unterstützung durch den Pfarrgemeinderat/Eltern oder übergangsweise auch die Zusammenlegung von zwei Gruppen. Zur Not muss eine Ferienfreizeit oder auch eine Gruppenstunde (vorübergehend) ausfallen, wenn keine geeigneten LeiterInnen da sind.

Wenn ihr fähige, junge LeiterInnen einsetzt, solltet ihr folgende Punkte berücksichtigen:

Minderjährige GruppenleiterInnen dürfen immer nur als zusätzliche Unterstützung eingesetzt werden und noch nicht die volle Verantwortung tragen.
Volljährige LeiterInnen übernehmen dann auch die Aufsichtspflicht für ihre minderjährigen MitleiterInnen
Auch die Eltern sowohl der minderjährigen LeiterInnen als auch der Gruppenkinder sollten darüber informiert sein und dem zustimmen.
Außerdem solltet ihr darauf achten, dass der Altersabstand zu den Gruppenkindern möglichst groß ist. Mit 16 Jahren eine Gruppe zu leiten, in der auch 14-Jährige sind, ist extrem schwierig und führt schnell zu Konflikten.
Gerade bei so jungen GruppenleiterInnen sind darüber hinaus eine gute Anleitung und Vorbereitung der Gruppenstunden bzw. Ferienfreizeiten und Reflexion im Team sehr wichtig.
Führt junge LeiterInnen langsam ein und „überschüttet“ sie nicht gleich mit allen möglichen Aufgaben, die neben der Gruppenstunde auch noch anstehen. LeiterInnen, die zu früh zu viel Verantwortung und Aufgaben übernehmen, können sich überfordert oder nach einiger Zeit „ausgebrannt“ fühlen, so dass sie ihre Tätigkeit dann (schnell) wieder beenden.

Wenn du als Jugendliche lieber selbst noch an Gruppenstunden teilnehmen möchtest, mach das! Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch mit 16, 17, 18 Jahren noch TeilnehmerIn zu sein und von den Angeboten der Jugend- und Messdienergruppen zu profitieren. Wenn du dich noch nicht bereit fühlst, Gruppenstunden zu leiten, und lieber selbst noch mit deiner Gruppe coole Projekte durchführen, gemeinsame Ausflüge unternehmen oder in die Ferienfreizeit mitfahren willst, nutze diese Zeit. Diese Aktionen und Momente werden dir lange in Erinnerung bleiben und Kraft und Motivation für dein weiteres Engagement geben.

Literatur

Calmbach, Marc u.a.: SINUS-Studie 2012, Wie ticken Jugendliche? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Verlag Haus Altenberg, 2012

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg.): JIM-Studie 2014, Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.

Oerter, Ralf; Dreher, Eva: Jugendalter. In: Oerter, Ralf; Montada, Leo (Hg.): Entwicklungspsychologie, 6. Auflage. Beltz Verlag, Weinheim, Basel, 2008, S. 225-270

Schäfers, Bernhard; Scherr, Albert: Jugendsoziologie. Einführung in Grundlagen und Theorien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005

Shell Deutschland Holding (Hg.): 16. Shell-Jugendstudie; Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich. Fischer Taschenbuch Verlag

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