Nun habt ihr in der Gruppe gemeinsam einige Regeln aufgestellt. Vermutlich wird es trotzdem dazu kommen, dass sich (hin und wieder) einige Gruppenmitglieder nicht an diese Regeln halten. Das ist ganz normal und kommt in jeder Gruppe vor. Wenn du als LeiterIn wahrnimmst, dass es Unstimmigkeiten über die Regeln gibt oder sie schlicht missachtet werden, solltest du die Initiative ergreifen und dies ansprechen. Du als LeiterIn stehst mit deiner Person für diese Regeln. Auch wenn die Gruppe sie gemeinsam aufgestellt hat, werden die Gruppenmitglieder an dir messen und ausprobieren, inwieweit sie dagegen verstoßen können, ohne dass es Folgen für sie hat. Du kannst dich deiner Rolle als LeiterIn nicht entziehen und zwischendurch mal „nicht leiten“, du bist also in erster Linie für die Einhaltung der Regeln verantwortlich.
Wenn du Unmut und Unstimmigkeiten über die Regeln allgemein wahrnimmst, solltest du dies ansprechen und zum Anlass nehmen, um mit der Gruppe zu überlegen, ob diese Regeln noch zu euch passen und sinnvoll sind – oder ob es Änderungen oder Anpassungen bei den Regeln bedarf.
Wenn einzelne Gruppenmitglieder gegen die Regeln verstoßen, ist es in vielen Gruppen noch üblich, dass LeiterInnen darauf mit Bestrafungen reagieren.
Bestrafungen meint, dass auf ein unerwünschtes Verhalten, also z.B. einen Regelverstoß, eine für das Kind/den Jugendlichen unangenehme Sanktion erfolgt, die die Person zusätzlich oft noch beschämt oder demütigt. So muss ein Kind z.B. die Toilette putzen, weil es vorher ein anderes Kind geschubst hat oder ein Jugendlicher muss abends vor der ganzen Gruppe das Gebet sprechen, weil er eine andere Jugendliche beleidigt hat.
Als GruppenleiterIn so zu reagieren ist nicht sinnvoll, da es häufig dem Gruppenklima schadet (die anderen Kinder machen sich über die Bestrafung lustig) oder nicht dazu beiträgt, das Kind/den Jugendlichen dazu zu erziehen, sich an Regeln zu halten. Gerade Bestrafungen, die keinerlei Bezug zum vorherigen negativen Verhalten haben, sind für die Entwicklung der Kinder/Jugendlichen eher kontraproduktiv. Darüber hinaus sind sie häufig ein Zeichen der Überforderung oder sogar des Machtmissbrauchs von GruppenleiterInnen, die so demonstrieren wollen, wer das Sagen hat, aber eigentlich hilflos sind und nicht wissen, wie sie angemessen reagieren.
Daher möchten wir uns von dieser Art der Bestrafung abgrenzen und dich ermutigen und dir empfehlen, über geeignete Reaktionen auf Regelverstöße nachzudenken. Was ist sinnvoll, hilft dem Kind/Jugendlichen in seiner Entwicklung und führt dazu, dass er/sie seltener gegen Regeln verstößt und sich besser in der Gruppe integriert oder wohlfühlt?
Wichtig ist, dass du konsequent handelst und bei deiner Reaktion ein sachlicher Zusammenhang zum unerwünschten Verhalten besteht, der auch für das Kind/den Jugendlichen ersichtlich ist. Suche das Gespräch mit der Person, die gegen die Regel verstoßen hat und verdeutliche ihr dabei, welche Folgen ihr Verhalten hat und wie verletzend dies mitunter für den anderen/die andere ist. Darüber hinaus kannst du ein Kind, das schubst, z.B. für 5 Minuten bei dem Spiel aussetzen lassen. Eine Bestrafung für eine Jugendliche, die jemand anderes beleidigt, führt vermutlich nicht nachhaltig zu einer Verhaltensveränderung. Vielmehr muss sie befähigt werden, sich in andere Personen hineinzuversetzen und zu sehen, welche Auswirkungen ihr Verhalten für die beleidigte Person und das gesamte Gruppenklima hat. Jugendliche, die sich trotz Gesprächen regelmäßig sehr unsozial verhalten, können von bestimmten Aktivitäten oder für einen bestimmten Zeitraum von der Gruppenstunde ausgeschlossen werden. (zu Verhalten in Konfliktsituationen)
Unterstütze vor allem, dass die Situation geklärt wird und sich das Kind/der/die Jugendliche mit seinem/ihrem Verhalten auseinandersetzt und sich – ehrlich – bei dem anderen Kind/Jugendlichen entschuldigt.
Handle dabei konsequent. Natürlich musst du nicht bei einem kleinen Regelverstoß sofort mit „Gegenmaßnahmen“ reagieren. Hier reicht es auch, die Person wissen zu lassen, dass ihr Verhalten wahrgenommen und nicht gutgeheißen wird. Spätestens nach der dritten Verwarnung solltest du allerdings durchsetzen, was du vorher angekündigt hast. Dabei solltest du selbstbewusst auftreten und das Gesagte auch durch deine Körpersprache unterstützen (z.B. indem du aufstehst und zu der Person hingehst). Bei der dritten Verwarnung ist auch nicht mehr der Zeitpunkt für Diskussionen oder fade Entschuldigungen, hier solltest du standhaft und durchsetzungsstark bleiben, damit du nicht Gefahr läufst, dass die Gruppenmitglieder dich über kurz oder lang nicht mehr ernst nehmen.